Maja Rettig
Geboren 1976 in Bruchsal.
Studium der Germanistik und Romanistik in Mainz, Dijon und Hamburg. Arbeitet freiberuflich als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache und Alphabetisierung und als Literaturkritikerin. Schreibt an ihrem zweiten Roman und an einem Kurzprosa-Band.
Mitglied im Forum seit April 2005.
Als Kostproben zum Lesen:
Am Hafen in Rio
Am Hafen in Rio de Janeiro oder S. Paolo, es kann aber auch Montevideo gewesen sein, begegnen zwei Seeleute, Seemänner, einander, laufen sich auf nebelumwaberter Hafenbrücke entgegen, müssen sich mustern. Fragt der eine, stehen bleibend, den andern: „Are you polish?“ Verblüfft bejaht der Angesprochene, kriegt daraufhin pfeilschnell tödlich eins ins Gesicht, fällt um, stirbt. Ohne noch irgend zu erfahren, warum ihm so geschah – selbst wie ihm geschah, bekam er ja nur noch kurz mit.
Nur ein Schlag
Urahn, Ahne, Mutter und Kind – vier Leben endet ein Schlag.
Warnung
Ich sah einen Mann auf offener Straße und sang folgende Verse:
„So mancher, der nen schlauen Blick aufsetzt,
Der rutscht sogar auf trockner Straße aus.“
Rückweg
Auf dem Rückweg bin ich in die Dunkelheit geraten. Ich streifte dunkle Büsche, hörte Nachtvögel rufen über Buchsbäumen. Auf einsamer Straße ging ich, die sich wand durch die Nacht. Einzelne Hauswände duckten sich weiter hinten ins Dunkel, Trutzburgen, dachten die Bewohner, doch weit gefehlt. Lampen waren nur wenige, aber sie sahen wie Zauberstäbe aus. Eine Frau tauchte auf, sie stand unvermittelt an einem der Pfähle. Es schien, sie hatte mich abgepasst. Sie sah mir entgegen. Ich ging auf sie zu ohne Zögern. Sie warf den Kopf zurück, schob ihr Knie vor und erwartete, dass ich zugriff. Ich tat es in Gottes Namen. Noch war die Dunkelheit ungebrochen. Dann verschwand ich endgültig darin.
Stand: 16.09.2006